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Arbeitzeiterfassung - Pflicht für alle

Verantwortlicher Autor: Michael Hofmann Frankfurt, 18.12.2022, 15:24 Uhr
Presse-Ressort von: Michael Hofmann Bericht 9771x gelesen

Frankfurt [ENA] Die spanische Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) erhob vor dem Nationalen Gerichtshof in Spanien Klage auf Feststellung, dass die Deutsche Bank SAE verpflichtet sei, ein System zur Erfassung der geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Nach Auffassung der CCOO ergebe sich die Verpflichtung auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Arbeitszeitrichtlinie.

Das spanische Gericht legte die Sache dem EuGH vor und dieser gab der CCOO recht. Mit seinem Urteil erklärte der EuGH, dass (a) die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und (b) die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit die Mitgliedstaaten verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Zusammenfassend heißt das, dass die EU-Mitgliedstaaten sämtliche Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), 14.5.2019, Az. C-55/18). Der EuGH wies zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines/einer jeden Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten hin. Diese Rechte sind in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt.

Ist eine teure elektronische Zeiterfassung Pflicht?

Nein, eine elektronische Zeiterfassung ist nicht verpflichtend. Das Bundesarbeitsgericht stellte in seinem Urteil vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) fest, dass jeder Arbeitgeber gem. § 3 Abs. II Nr. 1 ArbSchG i.V. mit den EU-Richtlinien verpflichtet ist, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Dabei müssen Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Pausen erfasst werden.

Arbeitsgeber(innen) dürfen von den Arbeitnehmer(innen) verlangen, dass diese die Arbeitszeit manuell erfassen. Ausreichend für die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht sind Nachweise in Form von Stundenzetteln oder Lohnlisten, Stempel- bzw. Arbeitszeitkarten. Im Internet gibt es bereits einige kostenlose Vorlagen zu Ausdrucken oder auch kostenlose Excel-Vorlagen zur Erfassung der Arbeitszeit in einer Datei.

Muss jede zu viel gearbeitete Minute vergütet werden?

Nein, denn Mehrarbeit muss zuvor vereinbart worden sein. Fehlt eine arbeitgeberseitige Anordnung, Genehmigung oder zumindest Duldung oder kann diese nicht nachgewiesen werden, besteht kein Anspruch auf Vergütung. Es empfiehlt sich daher, dass man als Arbeitnehmer(in) immer schriftlich vereinbart, dass Überstunden bis zu einem gewissen Umfang genehmigungsfrei sind und entweder in Freizeit oder Gehalt ausgeglichen werden.

Gibt es arbeitszeitliche Grenzen?

Ja, die gibt es. In der Regel darf nicht mehr als acht Stunden täglich gearbeitet werden. Ausnahmsweise sind auch bis zu zehn Stunden möglich. In einem Zeitraum von sechs Monaten darf die durchschnittlich tägliche Arbeitszeit jedoch nicht über acht Stunden hinausgehen. Außerdem gilt eine Mindestruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und -beginn und die Pflicht zur Pause nach spätestens sechs Stunden. Achtung: Für Jugendliche, Schwerbehinderte, Schwangere und Stillende gelten andere Regelungen.

Kann Vertrauensarbeitszeit fortgesetzt werden?

Leider nein, denn Vertrauen und strikte Aufzeichnung zum Zwecke der Kontrolle schließen sich aus. Das bedeutet aber auch, dass Mitarbeiter(innen), die lieber sieben oder acht Stunden am Stück gearbeitet, auf Pausen verzichtet und dadurch früher Feierabend gemacht haben, nun die Pause machen müssen. Laut Bundesarbeitsgericht hat die Erfassung der Arbeitszeit zum Ziel, die Einhaltung der Ruhezeiten und der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten zum Schutze der Gesundheit der Beschäftigten zu dokumentieren.

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